Hallo Frau Pfeiffer, schön, dass Sie sich Zeit nehmen, um uns ein paar Fragen zu den Themen Eignungsdiagnostik und psychologische Personalauswahl zu beantworten. Sie sind Karriereberaterin und Bewerbungscoach in Köln, haben über 10 Jahre in leitender Funktion als Personalerin gearbeitet und unterstützen heute auch Personaler bei Ihrer Arbeit, indem Sie diese zum Thema Eignungsdiagnostik beraten.
Erklären Sie uns bitte zunächst, was man eigentlich unter Eignungsdiagnostik versteht!
Eignungsdiagnostik ist die Grundlage aller strukturierten und fundierten Personalentscheidungen. Damit kann man die besten Bewerber für eine freie Stelle in einem Unternehmen finden: Dazu gehört, dass sowohl geeignete als auch ungeeignete Bewerber bereits bei der Bewerbung als solche erkannt werden. Wie das Wort Eignungsdiagnostik schon sagt, versucht man die Eignung oder auch Passung eines Bewerbers für eine Position vorherzusagen und gibt damit eine Prognose über den Berufserfolg dieser Person auf einer bestimmten Position.
Der eignungsdiagnostische Prozess ist dabei strukturiert. Zuallererst wird immer eine Anforderungsanalyse durchgeführt und erst im Anschluss festgelegt, auf welche Art und Weise man die Kriterien, die relevant für den Berufserfolg sind, messen möchte. Es gibt verhältnismäßig zuverlässige Methoden, die hier Anwendung finden können. Außerdem sind der eignungsdiagnostischen Forschung Zusammenhänge zwischen diesen Kriterien und von Kriterien zu Berufserfolg bekannt, die natürlich Berücksichtigung finden.
Während des diagnostischen Prozesses sammelt der Personaler lange Informationen, bevor man zu einem Urteil kommt. Das ist für viele zunächst sehr ungewohnt, da wir es gewohnt sind und wohl auch entlastend finden, möglichst schnell zu einem Fazit zu kommen. Psychologen sind es aber gewohnt, in Hypothesen zu denken und so den Beurteilungsprozess zu einem besseren Abschluss kommen zu lassen.
Sie sagten gerade, eines der Hilfsmittel der psychologischen Personalauswahl ist also die Anforderungsanalyse. Was versteht man genau darunter?
Mit Hilfe einer Anforderungsanalyse für eine Position findet man die Kriterien heraus, die erfolgsrelevant sind, um eine freie Stelle in einem Unternehmen bestmöglich auszufüllen. Man will also wissen, welche Eigenschaften, fachliche und überfachliche Kompetenzen ein Bewerber haben sollte, um möglichst geeignet für diese Stelle zu
sein. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: Zum Beispiel das Anforderungsmodul des Bochumer Inventars zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung, die Critical Incident Technik oder die Repertory Grid Technik, um nur ein paar bekannte Methoden zu nennen. Man kann sich vorstellen, wie wichtig die Anforderungsanalyse ist, wenn man sich ein Beispiel vor Augen führt: Stellen Sie sich vor, ein Arzt würde einem Patienten einfach irgendwelche Medikamente geben, ohne vorab eine Diagnose zu stellen. Der Arzt weiß also nicht, was der Patient braucht, also welche Anforderungen er hat und er kann nur auf gut Glück Medikamente verschreiben.
Die Wahrscheinlichkeit, dass er mit den Medikamenten daneben greift, ist ziemlich hoch – und dann bekommt der Patient nicht, was er braucht und bleibt krank.
Und gleichzeitig wird auch noch Geld und Zeit für eine Behandlung verschwendet, die zu keinem Ergebnis führt. Vorher zu schauen, was eigentlich benötigt wird, ist also definitiv sinnvoll. Anforderungsanalysen bilden somit die Basis für den weiteren Prozess der psychologischen Personalauswahl.
Okay, dann weiß man nach der Anforderungsanalyse auch, welche Kriterien für die Stelle wichtig sind. Wie geht man weiter vor?
Jetzt möchte man herausfinden, wie es bei dem Bewerber mit diesen Kriterien aussieht: Es geht um sein individuelles Profil. Es gibt verschiedene Methoden, um Informationen über den Bewerber, also über seine Eigenschaften und Kompetenzen, zu bekommen.
Zum Beispiel kann man einen Intelligenztest oder Persönlichkeitstests machen. Hat man dann Informationen über Persönlichkeitseigenschaften oder kognitive Fähigkeiten, die auch zeitstabil sind, kann man auf späteren Erfolg im Beruf schließen.
Weitere Methoden sind:
- Situative Fragen
- Situational Judgement Test
- Biographischer Fragebogen
- Arbeitsproben
- Analyse der Bewerbungsunterlagen
- Rollenspiele mit Beobachtern
- Assessment Center
- Leistungstests
- Diagnostisches Einzelinterview
Die Methoden unterscheiden sich in den Kosten und in den Gütekriterien erheblich und man kann mit Ihnen jeweils nur bestimmte Kriterien gut erfassen.
Sie haben diagnostische Einzelinterviews genannt: Was genau verbirgt sich dahinter?
Beim diagnostischen Einzelinterview in der Eignungsdiagnostik geht es darum, ein ganz normales Vorstellungsgespräch zu nutzen, um diagnostisch relevante Informationen über den Bewerber zu sammeln und strukturiert zu analysieren, um am Ende zu einem validen Urteil über die Eignung des Bewerber zu kommen. Es werden Gesprächs- und Beurteilungsmethoden aus der psychologischen Diagnostik genutzt um so eine hohe Treffsicherheit gewährleisten zu können. Dieses Verfahren ist hoch effizient und der Bewerber bemerkt in der Regel nicht, dass es sich nicht im ein normales Vorstellungsgespräch handelt, so dass dieses Verfahren relativ viel Akzeptanz erfährt.
Sie haben am Anfang unseres Interviews Zusammenhänge zum Berufserfolg angesprochen: Was gibt es da?
Inzwischen sind aus der eignungsdiagnostischen Forschung einige Zusammenhänge zwischen einzelnen Kriterien und dem generellen Berufserfolg bekannt, zum Beispiel:
- Lücken im Lebenslauf sagen so gut wie nichts über die Persönlichkeit aus. Kennt man aber den wirklichen Grund der Lücke im Lebenslauf, ist diese sehr wohl interpretierbar.
- Hobbys und Sportarten haben keinen Zusammenhang zu sozialen Kompetenzen. Erfährt man also über einen Bewerber, welche Hobbys er ausübt, dann erfährt man dadurch nicht, ob der Bewerber beispielsweise besonders gewissenhaft, sensitiv, teamorientiert oder gestaltungsmotiviert ist. Eine Ausnahme bilden hier allerdings die Leistungssportler. Bei Ihnen kann üblicherweise ein erhöhtes Leistungsmotiv festgestellt werden.
- Wenn man sich das Zeugnis eines Bewerbers anguckt, dann sagen einzelne Noten, außer der Mathe- und der Abschlussnote, wenig aus.
- Und bei der Personalauswahl ist es besser auf die Vielfalt der Berufserfahrung zu achten und nicht auf die Dauer der Berufserfahrung. Jemand der 15 Jahre Berufserfahrung hat, wird nicht unbedingt besser performen als jemand mit fünf Jahren.
Jetzt wissen wir, was Eignungsdiagnostik ist und wofür es gut ist. Aber wie können sich Bewerber jetzt darauf vorbereiten?
Auf Assessment Center kann man sich sehr gut vorbereiten. Im Internet kann man Übungsaufgaben finden und auch Karriereberater bieten oft ein gezieltes Training an.
Bei Persönlichkeits- oder Intelligenztests kann ich nur raten, ausgeschlafen zu sein und möglichst entspannt zu bleiben. Und für Vorstellungsgespräche oder Telefoninterviews kann man eine eigene Anforderungsanalyse machen und sich relativ genau überlegen, was die Person gegenüber wohl glaubt, was wichtig für die freie Stelle ist, also was der Interviewpartner hören möchte. Dann kann man sich gezielt überlegen, wie man die eigenen Fähigkeiten und überfachlichen Kompetenzen in diesem Gespräch besonders gut einbringen kann.