Eine Bewerbung mit Behinderung stellt viele Jobsuchende vor eine enorme Herausforderung. Viele haben Angst davor und wissen nicht, ob und wie sie ihre Behinderung in der Bewerbung erwähnen soll. Die Frage, die sich allen also stellt: Soll oder muss man seine Behinderung im Bewerbungsprozess erwähnen? Bringt einem das Handicap Nachteile oder sogar Vorteile im Bewerbungsprozess?
- Wie geht man mit der Behinderung in der Bewerbung um?
- Wie erwähne ich die Behinderung im Gespräch?
- Was gibt es dabei zu beachten?
Bewerbung mit Behinderung: Worauf muss man sich einstellen und wie geht man damit um?
Zunächst einmal vorweg: Arbeitgeber mit 20 oder mehr Arbeitsplätzen sind dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Tun sie dies nicht, so sind sie zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe für nicht besetzte Schwerbehindertenpflichtplätze verpflichtet (Sozialgesetzbuch SGB IX). Trotzdem ist es so, dass viele Unternehmen die Zahlung dieser Abgabe in Kauf nehmen, anstatt schwerbehinderte Arbeitnehmer einzustellen.
Aus der Praxis ist es allerdings kaum möglich einen generellen Tipp zu geben wie in der Bewerbung mit Behinderung oder Handicap am besten verfahren wird: Sowohl die Erwähnung als auch das Verschweigen kann situativ von Vorteil sein. Aus diesem Grund haben wir unseren Partner MyHandicap um eine Einschätzung gebeten:
Vorurteile – noch immer vorhanden
Menschen mit Behinderung haben es in vielen Bereichen unserer Gesellschaft nach wie vor schwer: Trotz vieler Verbesserungen in den letzten Jahren gehört der Job- und Arbeitsmarkt nach wie vor dazu. Die Bewerbung mit Behinderung kann bereits ein erster Stolperstein sein. Die Gründe, die manche Unternehmen gegen eine Beschäftigung bewegen, sind meist nicht mal rational begründbar: Vorurteile und Annahmen, wie zum Beispiel, dass ein behinderter Mensch nicht genauso leistungsfähig oder öfter krank sei und so dem Arbeitgeber zur Last fallen würde, sind in der Realität meist nicht haltbar. Die Angst der Personaler und Chefs vor dem besonderen Kündigungsschutz der schwerbehinderten Menschen tut dann noch ihr Übriges dazu und die Bewerbung wird direkt ausgeschlossen.
Aber auch Unwissen spielt eine Rolle:
Auch größere Unternehmen haben oft wenig Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Handicap. Dies zeigen auch die Ergebnisse des Inklusionsbarometers der Aktion Mensch aus dem Jahr 2015. Hier geben immer noch 25 Prozent der Unternehmen an, die Möglichkeiten der Unterstützung für Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen, durch den Staat nicht zu kennen. Die Bewerbung mit Behinderung stellt dann in diesen Fällen auch für Personaler oft Neuland dar – und wird deshalb erstmal bei Seite gelegt:
Günstig wäre es natürlich im Vorfeld herauszufinden, wie offen und erfahren ein Unternehmen in der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ist. Manche Betriebe setzen ganz gezielt auf die Fähigkeiten und Talente von schwerbehinderten Mitarbeitern. Leider ist es oft sehr schwer, dies im Vorfeld herauszufinden. Und somit kann die Frage „Soll die Behinderung erwähnt werden?“ auch nicht pauschal beantwortet werden.
Keine Pauschallösung
Generell wird von den meisten Bewerbungstrainern und einem guten Bewerbungscoach die Einschätzung vertreten, dass sich die Chancen für die Bewerbung mit Behinderung verschlechtern, wenn man das Handicap bereits im Bewerbungsschreiben erwähnt oder im Lebenslauf angibt. Eine sichtbare Behinderung sollte man jedoch spätestens im persönlichen Bewerbungsgespräch offen und selbst ansprechen.
Aber: Man ist nicht verpflichtet, die Behinderung oder Schwerbehinderung offenzulegen
Nur, wenn die Behinderung oder Einschränkung in einem direkten Zusammenhang zu der Fähigkeit und Tätigkeit steht, die im Job gefordert ist, ist eine Nachfrage von Seiten des Arbeitgebers berechtigt oder ein Hinweis von Seiten des Bewerbers notwendig.
Ansonsten gilt: Dem Gefühl folgen!
Es bleibt einem selbst überlassen, ob man in seiner Bewerbung seine Behinderung erwähnen will oder sie lieber erstmal verschweigt. Sollte man aber das Handicap doch in der Bewerbung nennen , sollte man die Behinderung nicht in den Mittelpunkt des Bewerbungsschreibens oder des Gesprächs stellen. Der potenzielle Arbeitgeber und Chef interessiert schließlich als erstes, ob man der richtige Bewerber für den Job und die zu besetzende Stelle ist. Das Wichtigste sind also die Fähigkeiten und Qualifikationen.
Wenn man die Behinderung im persönlichen Bewerbungsgespräch erwähnen möchte, sollte man dieses Thema nicht direkt ganz am Anfang oder ganz am Ende der Unterhaltung tun. Am besten lenkt man das Gespräch in der Mitte in diese Richtung, um auch vorher und nachher andere Akzente setzen zu können.
Die schriftliche Bewerbung mit Behinderung: Für viele Bewerber eine Herausforderung!
Wenn es darum geht, die schriftliche Bewerbung mit Behinderung zu schreiben, in der eben diese auch erwähnt werden soll, kann man direkt mit angeben wie mit einer potenziellen Einschränkung umgegangen werden kann. Hat man eigene technische Hilfsmittel oder Wege? Dann direkt präsentieren, dass die vermeintliche Einschränkung gar keine ist.
Man kann aber natürlich auch die Behinderung sowohl in der Bewerbung als auch im Bewerbungsgespräch verschweigen und sich als „nicht behinderter Arbeitnehmer“ einstellen lassen. Dann sollte man aber auch überlegen, ob es einem das Wert ist: Ist es überhaupt möglich, seine Behinderung jeden Tag im Arbeitsalltag zu verstecken und seine Kollegen dahingehend im Unklaren zu lassen?
Und viel wichtiger die Frage: Möchte man das überhaupt? Meistens ist es sinnvoller und für sich selbst auch angenehmer, offen mit der eigenen Situation umzugehen und sich nicht zu verstellen oder zu verstecken. Natürlich kann dies auch punktuell Nachteile bringen – da sollte sich jeder drüber im Klaren sein, wenn man seine Bewerbung mit Behinderung offen gestaltet. Dies muss aber jeder individuell und sich selbst entscheiden!
Folgende Fragen sollte man sich spätestens, wenn man eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten hat, stellen:
- Was will man über sein Handicap sagen?
- Wie kann man seine vermeintliche Behinderung am besten darstellen?
- Wann bringt man das Gespräch auf das Thema?
- Und wie sorgt man dafür, dass das Gespräch auch wieder in eine andere Richtung gelenkt wird?
Fazit:
Es gibt kein Erfolgsrezept, wenn man sich mit einer Behinderung bewerben möchte. Meist ist der beste Ratschlag, die Behinderung erst im Bewerbungsgespräch zur Sprache zu bringen. Ganz verschweigen ist natürlich möglich, man sollte sich aber auch immer über die Konsequenzen im Klaren sein. Am Ende entscheidet aber immer man selbst, wie man sich am Sichersten fühlt. Wenn man offen mit dem Thema umgeht und sagt, dass das auch ein Teil von einem ist, den der Arbeitgeber kennen sollte, ist es immer auch möglich, die Behinderung positiv im Anschreiben einzubauen. Ein professioneller Bewerbungsservice kann dabei helfen, die richtige Formulierung zu finden und eine perfekte Bewerbung zu erstellen, mit der man sich wohlfühlt und die gute Aussichten auf Erfolg hat.
Wer einen Austausch oder eine Beratung zum Thema Job und Bewerbung mit Behinderung sucht, findet auf MyHandicap.de Hilfe von Experten und vielfältige Informationen.